Da für die nächsten Paar Tage Starkwind angesagt
ist, entscheiden wir uns, vorher nach London zu fahren.
Wir erhalten per Funk von der Hafenkontrolle die
Erlaubnis um auszulaufen und werden mit den Worten "save journey"
verabschiedet.
Wir fahren mittig aus der Hafenausfahrt aus und
bleiben sofort stecken, wir sind auf Grund gelaufen. Es ist eine Stunde vor
Niedrigwasser. Wir versuchen, per Rückwärtsgang uns zu befreien, doch es hilft
nichts. Unser Schiff liegt in der Zwischenzeit quer. Gerade am Vortag habe ich
eine Geschichte von einem Segler gelesen, der sein Boot verlor, weil er auf
Grund gelaufen war. Ich habe das Gefühl, die Hafenmauer kommt näher. Täglich
habe ich das Baggerschiff in der Nähe des Hafens baggern sehen, ohne dieses
Schiff wäre es wohl nicht möglich, überhaupt zum Hafen zu gelangen. Dann presst
Jack den Rückwärtsgang stärker als zuvor und plötzlich fährt das Schiff zurück.
Wir sind gerettet und die Fahrt kann beginnen.
Wir nehmen den weiter aussen liegenden Kanal zur
Themse, wir getrauen uns nicht über die bei Niedrigwasser trocken fallenden
Sände zu fahren.
Bei der Themsemündung passieren wir die Red Sands
Towers. Sie wurden 1943 errichtet zur Flugabwehr deutscher Bomber.
Der Wind nimmt zu und wir rauschen mit voller
Besegelung die Themse hoch. Der Strom hilft uns immer noch, doch bald wird er
die Richtung ändern. Jack ist nervös, er hat die Strecke trotz seiner Planung
unterschätzt. Unser Zielhafen öffnet die Schleuse nur zwei Stunden vor und nach
Hochwasser, wir werden es nicht rechtzeitig schaffen.
Der Sonnenuntergang naht und wir sind noch weit
von London entfernt. Die Bojen seien für die grossen Schiffe, da dürften wir
nicht anlegen meint Jack. In der Umgebung gibt es nur Häfen, welche Trockenfallen.
Da ein grosses Schiff naht, weiche ich Richtung
Mitte des Fahrwassers aus. Etwas später kommt ein Kontrollschiff bei uns vorbei
und gibt uns die Anweisung, möglichst rechts zu fahren und überreicht uns eine
Broschüre zur Themsebefahrung.
Wir nähern uns einem Bojenfeld mit Motor- und Segelyachten.
Durch meinen Feldstecher sehe ich mehrere freie Bojen und sage Jack, dass wir am
Besten an einer dieser Bojen festmachen. Ich fahre in die Richtung der freien
Bojen und wähle die aus, welche mit Festmacher bestückt ist.
Nach dem Abendessen gehen wir sofort schlafen. Es wird mit
fünf Stunden eine kurze Nacht.
Die Nacht war ruhig, wir haben gut geschlafen. Das Schiff
hat es um 180 Grad gedreht, das Wasser strömt nun flussaufwärts.
Um fünf Uhr sind noch keine anderen Boote unterwegs, wir
sind alleine, die Stadt schläft noch. Nur ab und zu ertönen Funksprüche.
Wir fahren unter der 53 Meter hohen Queen Elizabeth II
Brücke hindurch.
Wir nähern uns dem Thames Barrier, welches eines der
weltweit grössten Sturmflutwehre ist. Es kann seine Tore in 15 Minuten
schliessen. Per Funk erhalten wir die Anweisung, zwischen Tor 4 und 5 hindurch
zu fahren.
Bei Greenwich überfahren wir den Nullmeridian von Ost nach
West.
Wir fahren zum Sightseeing bis zur Tower Bridge. Leider ist
der Hafen gleich neben der Brücke wegen Unterhaltsarbeiten geschlossen. Wir
fahren ein kurzes Stück zurück zum Limehouse Harbour.
Wir bekommen einen gemütlichen Liegeplatz im hintersten
Ecken des Hafens, wo wir inmitten von hübschen kleinen englischen Kanalbooten genannt Narrowboats,
umzingelt sind. Die Einfahrt und das Anlegen gelingt uns wunderbar, doch ich
frage mich, ob wir hier je wieder heil herauskommen?